BRICS+ erzeugt einen Strom behaglicher Perspektive…

Wann in den letzten Wochen und Monaten konnte man so etwas schon freimütig zum Ausdruck bringen: Die ermutigenden Ansprachen und Vereinbarungen der vielen Staatschefs und deren Vertreter auf der BRICS+ Konferenz im russischen Kasan geben viel Anlaß, auf eine globale friedliche Perspektive hoffen zu können. 

Der laut deutscher Außenpolitik „interntional völlig isolierte“ russische Präsident Putin in der Mitte des Geschehens in Kasan…

Natürlich wird sie sich nicht allein friedfertig entwickeln, denn die alten Hegemonialmächte v.a. wie die USA und die Staaten Westeuropas treten nicht freiwillig ab – der NATO-Krieg in der Ukraine und der im Nahen Osten sind auch Ausdruck dieser globalen Entwicklung.

Wie diese epochale Entwicklung zu beschreiben ist und welche Rolle dabei die BRICS+ spielen, beschreibt Wolfram Elsner, der längst über seine Rolle als beliebter China-Watcher hinausgewachsen ist. In einem spannenden, detailreichen Essay unter dem Titel „Global Change“, welches wir hier auszugsweise wiedergeben und dessen komplette Lektüre wir dringend empfehlen, stellt er seine Analyse vor, die er im Wesentlichen aus chinesischer Sicht aufrollt.

Ich bin mir sicher, es macht für jede und jeden Sinn, sich selbst darin einzuordnen und, darauf aufbauend, die eigene weltanschauliche Orienterung zu bestimmen.

Global Change – ein Standpunkt von Wolfram Elsner.

Wie die Welt sich vor unseren Augen verändert. BRICS, SCO, RCEP, Neue Seidenstraßen …

Die bleierne Zeit der Hegemonialherrschaft ist beendet

Die Feststellung ist inzwischen fast Gemeingut: Wir leben in einer Zeit, in der man „Geschichte“ tagtäglich fühlen, erleben, „greifen“ kann. Während seit dem 2. Weltkrieg lange Perioden von „bleiernen Zeiten“ vorherrschten, verändert sich die Welt zurzeit in einer selten erlebten Tiefe und Geschwindigkeit. Nach dem „bleiernen“ Ersten Kalten Krieg, nachdem die Sowjetunion aufgrund der unendlich höheren Ressourcen des  westlichen Imperialsystems militärisch niederkonkurriert werden konnte, wurde sogar  ein bleiernes „Ende der Geschichte“ (Fukuyama, 1992) verkündet, die totale Herrschaft des westlichen Hegemons, der einzigen Macht, die jemals einen unbeschränkten Weltherrschaftsanspruch praktizierte.

Wie kindlich-naiv diese Vorstellung natürlich war! Aber von den medialen, politischen und militärischen Eliten des Westblocks wird sie bis heute ernsthaft durchzusetzen versucht Deren intellektuelles und strategisches Niveau sank allerdings mit steigender Überheblichkeit im Zuge „grandioser Siege“ in ihren neokolonialen Kriegen (meist gegen nur leicht bewaffnete Sandalenträger) ins Bodenlose. Es wäre heute weniger erschreckend, wenn sie uns wie einst bewusst über die Welt belügen würden, als  erkennen zu müssen, dass sie ihre Überlegenheitsfantasien selbst glauben! Und daher auch für nichts mehr einen Plan B oder irgendeine Verhandlungsbereitschaft glauben haben zu müssen. Ein Kind, das keinen Ausweg mehr sieht, fängt an, um sich zu schlagen.

Warum z.B. hätte sich Russland sehenden Auges in ein Dutzend Kleinstaaten zerlegen lassen sollen, und seine Ressourcen den US-Konzernen zum Ausplündern überschreiben sollen, wie es in Washington, Brüssel und Berlin seit Gorbatschow bis heute fantasiert wird? Warum hätte sich China am Wiederaufstieg zu einer Nation hindern lassen sollen, die wieder ihren historisch normalen Platz als eine der größten und technologisch fortgeschrittensten Nationen einnimmt, den es Tausende Jahre lang innehatte? Diese Fragen hätte man sich auch 1992 schon stellen können.

Aber die Welt komplett in Brand zu setzen, war damals noch keine Option. Die Planungen für einen Vernichtungskrieg gegen Russland und China (vom US-Militär nun  für 2027 angekündigt) wurden als Ultima Ratio der Hegemoniesicherung erst in den letzten Jahren wieder mobilisiert (die konkreten Vorbereitungen der atomaren Vernichtung der UdSSR waren erst durch J.F. Kennedy eingestellt worden). Jetzt, wo es für den Westblock eindeutig zu spät ist, diesen großen Krieg noch gewinnen zu können.

Die Welt hat sich im 21. Jahrhundert nämlich massiv und beschleunigt verändert. Und zwar keineswegs nur zum Schlechteren. Zivilisation, Diplomatie, Austausch und Kooperation greifen weltweit wieder um sich. Der Globale Süden ist aufgewacht und macht sich auf in eine selbständige Entwicklung. Auch wenn wir unter unserer westlichen medialen Käseglocke von den wichtigsten Informationen darüber abgeschottet werden (…).

(…) Die ehemalige einzige Weltmacht hat es im Hegemonialsystem gut eingerichtet: Sie hat Eurasien langfristig gespalten und ihren Vasallen in der EU die Risiken und Kostenübernahmen (Finanzierung des Ukrainekrieges, Aufnahme von Kriegsflüchtlingen) sowie die Rolle als Schauplatz des Dritten Weltkrieges zugewiesen. Und auf diese Rolle als Zentrum des nächsten Atomkriegs sind die Berliner und  Brüsseler Diener Washingtons stolz

Wird der Weg in eine produktive Multipolarität, in eine neue Souveränität der Länder des Globalen Südens, in ein neues friedlicheres Verhältnis der Länder der Erde, untergehen in immer mehr regionalen Kriegen (next stop Iran), in dem großen Krieg gegen China und Russland, alle mit dem Potential zum atomaren Weltkrieg? Wir müssen auf die Reste  menschlicher Empfindungen bei den Eliten des Imperialsystems setzen, auf deren Angst vor dem eigenen Untergang (der allerdings durch neue Todeskulte überwunden werden soll) sowie auf eine Restrationalität bei Kapitalbossen und Top-Militärs, die lieber leben, einige Macht behalten und einige Profite machen wollen, als auf die Gefahr des Untergangs die Nummer eins zu sein. Die Welt würde eine lebendigere werden können. Bis dahin müssen friedliebende Menschen auf den Straßen dominieren.