Sahra Wagenknecht und ihr BSW jetzt auch ganz schön russophob
Sichbar irritiert zogen viele Teilnehmer von der Friedensdemo am 03.10. in Berlin ab. Im Vorfeld dessen konnte man von größeren Erwartungen erfahren: „…50.000 reicht jetzt nicht mehr, jetzt müssen es endlich 100.000 werden!“. Hier in Hannover sprachen die Aufrufenden euphorisch von „Kind und Kegel“, die im Sonderzug nach Berlin gebracht werden sollen.
Dann die dezentralen Aufmärsche und schließlich die Hauptkundgebung. Die Orga-Gruppe ließ verlautbaren, es seien 25.000 Teilnehmer, die Polizei schätzte 10.000. Es war den Organisatoren schon klar, die tatsächliche Resonanz blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück und so schraubten sie ihre Verlautbarungen zunächst auf 30.000 und dann auf 40-50.000 vermeintliche Teilnehmer hoch. Selbst wenn diese sehr optimistische Schätzung zuträfe, so bleibt doch als Resümee: Die Organisatoren haben keine Massenmobilisierung hinbekommen, haben stattdessen zensiert und ausgegrenzt und sind dafür zurecht nicht belohnt worden (vgl. hier).
Die Irritationen bei den abziehenden Friedensaktivisten hatte aber noch einen viel ernsteren Hintergrund. In einem Bericht beschreibt Klaus Linder, ehemals Landesvorsitzender der Freidenker in Berlin, seine Gedanken zum Geschehen. Es stellt sich nämlich die Frage, ob Frau Wagenknecht nach ihrer wütenden und in Teilen sogar russophoben Hauptrede überhaupt noch als Friedensaktivistin gelten kann. Im Folgenden geben wir den von RTDE am 04.10. redaktionell kommentierten Bericht von Klaus Linder wieder, den dieser zuerst in seinem Facebook- Kanal publiziert hatte. Es heißt dort:
Kritik an Wagenknecht: „Wie nach Drehbuch einer Fernsehshow“
Klaus Linder, ehemaliger langjähriger Vorsitzender des Berliner Landesverbandes der Freidenker, ist in linken und kommunistischen Kreisen als konsequenter Kritiker des aktuellen Zustands der sich „links“ nennenden politischen Szene in Deutschland bekannt. In der Theorie bewandert, greift er immer wieder die faktische Unterstützung für den westlichen Imperialismus von „links“ an. (…)
„Es gibt kaum einen prominenten Politiker in der BRD, der so kontinuierlich darauf bedacht war, in öffentlichen Auftritten den Namen des russischen Präsidenten, außer mit der Demagogie ‚völkerrechtswidriger Angriffskrieg‘ auch mit dem Wort ‚Verbrecher‘ und ‚Verbrechen‘ zu verknüpfen, wie Wagenknecht. Das ging schon los mit der Sportpalast-Bundestagssitzung am 27. Februar 2022 und blieb ihr ‚ceterum censeo‘, auch gestern wieder in Berlin.“
Linder erinnert an einen großen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung Anfang des Jahres, in dem Wagenknecht die russische Präsidentschaftswahl, damals noch nicht beendet, als „undemokratische Farce“ bezeichnete und empfahl, gegenüber der russischen Regierung auf die „weichen“ Methoden des Regime Change zu setzen, die die Bonner SPD gegen die DDR anwandte. Es sei an jenem russischen Wahltag auffällig gewesen, so der Freidenker, dass die Delegitimierung der russischen Regierung und ihres Präsidenten zuerst über Wagenknecht durch die deutschen Medien gegangen war, bevor dasselbe von Julia Nawalnaja kam.
Es sei merkwürdig, schreibt Linder, dass das die Grundlage einer von Wagenknecht rhetorisch geforderten Politik der Diplomatie und des Verhandelns sein soll. Die zweite Merkwürdigkeit sei, dass aufrichtig nicht russophobe Anhänger des „Wagenknechtismus“ beharrlich nicht wahrzunehmen scheinen, was „ihre mediale Frontfrau die ganze Zeit über öffentlich von sich gibt“.
Mit Blick auf die Friedenskundgebung, an der am Donnerstag schätzungsweise zwischen 40.000 und 50.000 Menschen teilgenommen haben, lenkt Linder die Aufmerksamkeit auf den Umstand, dass alle Presse- und Fernsehberichte ausdrücklich erwähnen, dass SPD-Mann Ralf Stegner ausgebuht wurde, weil er von einem „russischen Angriffskrieg“ sprach. Aber:
„BSW-Frau Wagenknecht steht auf derselben Bühne, sagt bekanntermaßen genau dasselbe, sogar noch mit dem drastischeren Ausdruck ‚Verbrecher‘ und bekommt vom selben Publikum nicht etwa Buhrufe, sondern Applaus.“
Wenn eine „Bewegung“ einmal „unter lückenlos opportunistische Bühnenregie mit Rollenverteilung der Animateure gebracht wird“, mahnt Linder, sei es „kraft Illusion von ‚Selbstermächtigung'“ vorübergehend möglich, spontane Wahrnehmungen und Reaktionsweisen so zu filtern „als folgten sie einem Drehbuch oder den Verabredungen einer Fernsehshow: Das Bodenpublikum wird zu bloßen Komparsen für das Drehen einer Massenszene degradiert.“
Ein solcher Effekt könne in der gegenwärtigen Entwicklung des weltpolitischen Kampfes gegen den Imperialismus nicht lange vorhalten, prophezeit Linder. Auch unter denen, die „kurzfristig vom Sog der Show überrumpelt“ wurden, werde die Reflexion des Geschehens und ihrer eigenen Lage bald einsetzen, „wahrscheinlich schon beim Verlassen des Drehorts“.
Tatsächlich habe die Veranstaltung am Donnerstag einmal mehr nicht den „Einklang der Massen“ mit den hauptamtlichen „Darstellerzombies auf der Bühne“ gezeigt, sondern den Antagonismus der Massen zu diesem Bühnen- und Führungspersonal, nur kurzfristig überbrückbar durch „geschickte Regieführung und Beleuchtung“, so das Fazit des Wagenknecht-Kritikers.
In eigener Sache: Gerne wollen wir in diesem Zusammenhang auf einen dazu passenden Beitrag auf unserer website verweisen, vgl. dazu unter „Deutsche Linke – Mitschuld am Krieg und Faschismus“