Doris Pumphrey: Friedensbewegung im Spannungsfeld …
In einem Redebeitrag (vgl. hier) auf dem Kongress „Krieg und Frieden“ der Neuen Gesellschaft für Psychologie, am 10. bis 12. April 2025 in Berlin legte die Autorin Doris Pumphrey ein Tableau der ‚alten‘ und der aktuellen Friedensbewegung vor. Insbesndere im zweiten Teil ihres Redebeitrages beschreibt sie nüchtern die Bewegung von heute auf Graswurzelniveau und erkärt so auch deren politische Beschränkungen. Diesen zweiten Teil möchten wir besonders empfehlen, gleichwohl lohnt sich die Lektüre in Gänze, hier der Auszug:
Die Friedensbewegung in Deutschland im Spannungsfeld zwischen der alten, vom NATO-Westen dominierten Welt und der sich entwickelnden neuen multipolaren Weltordnung
Die Friedensbewegung ist eine sog. Graswurzelbewegung, die die Mühen durchlaufen muss eines Aufbaus und einer Mobilisierung von unten. Authentische, unabhängige Graswurzelbewegungen haben es heute viel schwerer als früher. (…)
Die Friedensbewegung grenzt sich ein
Die „alte“ Friedensbewegung hatte schon 2014 eine Brandmauer „gegen rechts“ errichtet, gegen die Montagsmahnwachen für den Frieden. Die Brandmauer wurde immer höher, als die Bewegung gegen die anti-demokratischen Corona-Maßnahmen den Kampf für den Frieden aufgenommen hatte. Durch die Diffamierungen, die diese Bewegung erfahren hatte, hatten sie ein widerständigeres Potential entwickelt, das vielen in der „alten“ Friedensbewegung schon längst abhandengekommen war.
Dies gilt insbesondere für die Ostdeutschen, die die sog. Deutsche Einheit vor allem als westdeutsche Hybris, als permanente Diffamierung ihrer eigenen Lebensleistung und der Errungenschaften der DDR erfahren.
Allgemein weniger anfällig für die NATO-Propaganda, wurde von ihnen der Zusammenhang zwischen den steigenden Energiepreisen, ihrer wachsenden Armut und antirussischen Sanktionen schnell erkannt und benannt.
Was der deutsche Faschismus in der Sowjetunion angerichtet hatte, spielt zudem für die Ostdeutschen aufgrund ihres Geschichtsbewusstseins eine unvergleichlich höhere Rolle als für die Westdeutschen. „Freundschaft mit Russland“ empfinden auch heute noch sehr viele Ostdeutsche, während viele in der westlich dominierten „alten“ Friedensbewegung diesen Begriff kaum über ihre Lippen bringen.
Die herrschende Kriegsallianz konnte eine Aktionseinheit von „alter“ und „neuer“ Friedensbewegung nicht zulassen. Mit aktiver Schützenhilfe von Parteien, Medien und diversen Organisationen, die sich selbst als „antifaschistisch“ bezeichnen, wurde die „neue“ Friedensbewegung als „rechts-offen“ diffamiert.
Doch was ist „rechts-offen“, wenn Menschen für Diplomatie, Frieden und Verständigung mit Russland demonstrieren – auch wenn sie mit der AfD sympathisieren. Sind die Forderungen rechts? Den Organisatoren der Friedensaktionen käme doch nicht in den Sinn, Demonstranten auszuschließen, die „Diplomatie statt Waffen“ fordern, auch wenn sie Wähler oder Mitglieder der Grünen und SPD sind, den hauptverantwortlichen Waffenlieferanten und Kriegshetzern.
Oder wäre z.B. ein Streik von abhängig Beschäftigten für gemeinsame Forderungen vorstellbar, würden alle Streikwilligen erst nach ihrem Wahlverhalten überprüft?
Die „alte“ Friedensbewegung aber grenzte sich in ihrer ohnehin schwachen Mobilisierung auch noch mit Brandmauern ein.
Inzwischen gibt es auf lokaler und regionaler Ebene erfolgreiche Bemühungen die Gesinnungs-Brandmauer einzureißen und sich nicht von den sog. „Antifas“ einschüchtern zu lassen.
Die Friedensbewegung muss raus aus der Defensive
Die Osterweiterung der NATO mit Truppenstationierungen und Militärmanövern, waren immer ein zentrales Thema des Protestes der Friedensbewegung. Als Russland nach vergeblichen Bemühungen den Ukraine Konflikt friedlich zu lösen, der NATO am
24. Februar 2022 deutlich machte „bis hierher und nicht weiter“, versagte die Friedensbewegung. Eine ernsthafte Antwort auf die Frage, welch andere Option Russland denn gehabt hätte, blieb bis heute aus.
Die Friedensbewegung hat sich von Anfang an selbst in die Defensive gebracht.
Mit der Übernahme des NATO-Mantras vom „völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg“ wollte sie „glaubwürdig“ und nicht „angreifbar“ sein. Damit hat sie, laut Albrecht Müller, dem Herausgeber der NachDenkSeiten, nur dazu beigetragen „Vorurteile und Aggressionen gegen Russland“ zu verstärken.
Warum hat die Friedensbewegung, die sich auf den Antifaschismus beruft, nicht in jedem Aufruf und auf jeder Kundgebung dagegen protestiert, dass Deutschland politisch, finanziell und militärisch ein Nazi-verherrlichendes Regime in Kiew unterstützt. Damit hätte sie die Regierung in Erklärungsnot bringen können.
Warum hat sie nicht die Offensive ergriffen und immer wieder darauf verwiesen, dass die Bundesregierung durch ihre Sabotage von Minsk II am Krieg mitschuldig ist und die NATO im April 2022 die Istanbul-Vereinbarung zur sofortigen Beendigung der Kampfhandlungen verhindert hat.
Mit äquidistanten Forderungen wie „Waffen nieder“ und „Verhandeln“ hat die Friedensbewegung vermieden klarzustellen, dass nicht Putin, sondern Selenskij und seine NATO-Auftraggeber beides konsequent verweigerten.
Verantwortlichkeiten klar zu benennen und Forderungen entsprechend zu adressieren ist Teil der Aufklärung, die die Friedensbewegung leisten muss.
Die Mehrheit der Friedensbewegung schwieg zur russophoben Stimmungsmache, die von Politik und Medien systematisch betrieben wurde. Sie hat drei Jahre lang vermieden, den dringend notwendigen Widerstand gegen die zunehmende Volksverhetzung aufzubauen – aus Angst „Bündnispartner“ zu verprellen.
Was sind Bekenntnisse zur deutschen Verantwortung vor der Geschichte, wenn sich die Friedensbewegung nicht offensiv gegen die völlig enthemmte Anti-Russland-Propaganda der deutschen Regierung stellt, die jede anti-soziale und anti-demokratische Maßnahme mit „Putin“ rechtfertigt.
Die „Vernichtung der Lebenskraft Russlands“, wie Hitler es formuliert hatte, war nicht gelungen. Die deutsche Außenministerin wollte „Russland ruinieren“. Und der deutsche Kanzler gelobte: „Es muss unser Ziel bleiben, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt.“
Doch die Realität ist hartnäckig, Fakten am Ende immer stärker als Fakes. EU und Bundesregierung hatten den Krieg in der Ukraine als ihren eigenen Krieg gegen Russland propagiert. Drei Jahre lang hatten sie die „Schwäche“ Putins beschworen und täglich den Sieg Kiews verkündet. Die Niederlage Kiews wird zur eigenen Niederlage.
Nun stehen sie vor ihrer gescheiterten Politik. Das können sie nicht eingestehen. Mit allen Mitteln versuchen sie einen möglichen Friedensprozess zu torpedieren.
Die Bundesregierungen haben das eigene Land an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht – mit ihrem „Green Deal“, den Corona-Maßnahmen, den Sanktionen gegen Russland und der Alimentierung des Ukraine-Krieges. Frieden und politische Entspannung würde der Bevölkerung das ganze Desaster der Regierungspolitik deutlich machen.
Was eignet sich in diesem Deutschland besser zur Ablenkung von der eigenen Schuld als „Putin“? Also muss Putin nach der „Eroberung der Ukraine“ nach Westen weitermarschieren, denn Deutschland hat beschlossen bis spätestens 2030 „kriegstüchtig“ zu werden mit Kriegskrediten in Billionenhöhe, beispielloser Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft.
Die immer extremere Einengung der Meinungsfreiheit in den letzten Jahren hat die Bevölkerung eingeschüchtert. Die Angst vor der angeblichen „russischen Bedrohung“ soll sie vollends gefügig machen, um die drohende wirtschaftliche und soziale Katastrophe widerstandslos hinzunehmen. Dem muss die Friedensbewegung entgegenwirken.
Wie war der Westen doch überzeugt, sein Sieg im Kalten Krieg sei das Ende der Geschichte und die NATO die Garantie seiner globalen Vorherrschaft. Und dann kam Putin, bot dem siegestrunkenen „kollektiven Westen“ die Stirn und zerschmetterte dessen Allmachtsanspruch.
Der 24. Februar 2022 markiert das Ende der unipolaren Welt. Das Eingreifen Russlands wirkte geopolitisch wie ein Katalysator und hat die Dynamik der internationalen Entwicklung, Richtung einer multipolaren, demokratischen Weltordnung, auf der Basis der „souveränen Gleichheit“ aller Nationen beschleunigt. Es hat bereits Ländern im globalen Süden, insbesondere in Afrika, neuen Aufrieb gegeben in ihrem Kampf gegen den Neokolonialismus.
Die Friedensbewegung muss sich klar werden, wer in den internationalen Konflikten und in dieser geopolitischen Entwicklung welche Interessen verfolgt. Sie muss sich entscheiden wo sie steht.
Im Mai jährt sich zum 80sten Mal der Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus durch die Rote Armee. Das deutsche Außenministerium empfiehlt, russische und belarussische Diplomaten von offiziellen Veranstaltungen auszuschließen – wenn nötig sie vor die Tür zu setzen. Man wolle vermeiden, dass diese Diplomaten mit ihrer „Propaganda, Desinformation und geschichtsrevisionistischer Verfälschung“ das Gedenken der Deutschen „instrumentalisieren“.
Jegliches Schuld- und Schamgefühl über die eigene deutsche Geschichte wurde abgelegt. Der Angriffskrieg Nazideutschlands, der 27 Millionen Tote und verbrannte Erde in der Sowjetunion hinterließ, soll endgültig aus dem Gedächtnis der Deutschen getilgt werden. Mit anti-russischer Hysterie, die Goebbelsches Ausmaß schon längst übertroffen hat, soll die deutsche Bevölkerung erneut in den Krieg gegen Russland gehetzt werden.
Die Friedensbewegung muss endlich den Mut haben, die anti-russische Aggressionspolitik als zentrales Problem zu benennen und zu bekämpfen. Und sie muss der Bevölkerung klarmachen:
Deutschlands Feind ist nicht Russland, sondern Geschichtsfälschung, Verantwortungslosigkeit, Größenwahn und der völlige Realitätsverlust seiner Regierung und des politisch-medialen Establishments.